Wer kennt sie noch? Die 10 Heuristiken!
Wer kennt sie noch, die 10 Heuristiken, die Jakob Nielsen von der Nielsen/Norman Group definiert hat? Es war im Jahre 1994 (!).
Man kann sagen: Das war ja in der Internet-Steinzeit. Stimmt.
Oder: Der Mensch interagiert im Internet heute ja ganz anders, als er es noch vor einigen Jahren getan hat. Stimmt.
Was aber an den 10 Heuristiken von Jakob Nielsen zeitlos ist – und deswegen schreibe ich diesen Artikel – es geht eben um Heuristiken, die schon seit 26 Jahren ihre Gültigkeit besitzen. Lohnt es sich nicht schon deshalb, sich mal wieder damit zu beschäftigen?
Wir bei VERDINO machen das - immer wieder ;-).

Veröffentlicht am: 19.1.2021
Zuerst mal zu den Basics: Was ist eine Heuristik?
»Heuristiken sind kognitive Eilverfahren, die bei der Reduzierung des Bereichs möglicher Antworten oder Problemlösungen nützlich sind, indem sie Faustregeln als Strategien anwenden.« Stangl, 2020
oder
»Heuristik bezeichnet also ganz allgemein ein Verfahren, um Probleme zu lösen. Da Menschen im Alltag Anstrengungen gern aus dem Weg gehen, nutzen sie häufig Heuristiken, um sich das Nachdenken einfacher zu machen.« Stangl, 2020
Wir wollen uns im Alltag nicht anstrengen!
Zeit verändert sich, Geschmack und Mode verändern sich, Internet-Services verändern sich, vor allem verändert sich der Umgang von uns Benutzer*innen mit Services und Applikationen im Internet. Was aber immer gleich bleibt: Wir (der Mensch) wollen uns im Alltag nicht anstrengen und Probleme leicht gelöst bekommen.
Die Heuristiken von Nielsen sind solche »Eilverfahren« oder Strategien zur Problemlösung für Anwender*innen bei digitalen Services. Immerhin funktionieren sie – bis auf ein paar kleine textliche Anpassungen – bereits seit 26 Jahren.
Sie gelten nach wie vor bei jedem User*innen-Testing, sie können für Barrierefreiheitsaspekte herangezogen werden und sie entsprechen auch den, auf den*die User*in bezogenen Grundprinzipien jeder Suchmaschinenoptimierung.

Schauen wir uns die 10 Heuristiken mal genauer an.
1. Visibility of System Status
Designs should keep users informed about what is going on, through appropriate, timely feedback.
Als Beispiel unser selbst entwickeltes Arbeitszeiterfassungstool: Das Design unterstützt die User*innenführung und die Übersichtlichkeit und Klarheit bei der Information, die wir in einem Zeiterfassungstool haben möchten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und das Ganze geht auch im individuellen Corporate Design.

2. Match between System and the Real World
The design should speak the users' language. Use words, phrases, and concepts familiar to the user, rather than internal jargon.
Als Beispiel für die zweite Heuristik: der MiraBot, den wir gemeinsam mit Schüler*innen erarbeitet und gestaltet haben. Es ist ein interaktives Spiel, bei dem jede*r Schüler*in und jeder junge Mensch für sich abklären kann, welcher Zukunftstyp sie*er ist, wenn es um Themen der Medizin in der Zukunft geht – in der Sprache der Zielgruppe, ohne sich hierbei zu sehr an das »Jugend-Sprech« anbiedern zu wollen. Das ist der MiraBot.

3. User Control and Freedom
Users often perform actions by mistake.
They need a clearly marked »emergency exit« to leave the unwanted state.
Als Beispiel etwas, das hoffentlich im Alltag nicht oft zur Anwendung kommen darf, aber den Punkt 3 »User Control and Freedom« sehr markant darstellt: ein »Quick Exit«-Button auf jeder (!) Seite der Website zum Thema »Sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen« – dieser schließt per Klick die gesamte Website, um schnell zu reagieren, wenn man in einer kritischen Situation erwischt wird – nämlich, dass man sich über Hilfe-Optionen im Fall von sexueller Gewalt informiert.

4. Consistency and Standards
Users should not have to wonder whether different words, situations, or actions mean the same thing. Follow platform conventions.
In dem Fall geht es um Konvention, wie zum Beispiel: Das Ausweisen von externen und internen Links. Wenn sofort klar ist, wohin ein Link/Button den*die User*in führt und das stringent durch die ganze Website, wird durch diese Konsistent Klarheit geschaffen. Hier ein Beispiel: die Website »Reinwerfen statt Wegwerfen«, die wir gemeinsam mit unserem Kunden ARA, erstellt haben.

5. Error Prevention
Good error messages are important, but the best designs prevent problems from occurring in the first place.
Wenn es darum geht, Fehler zu vermeiden, bevor sie noch passieren gibt unser Arbeitszeittool wieder ein gutes Beispiel: Wenn man über der Zeit ist, wird das Zeiteintragen verhindert, so dass es später, bei der Abrechnung der Stunden nicht zu Problemen kommt.

6. Recognition Rather Than Recall
Minimize the user's memory load by making elements, actions, and options visible. Avoid making users remember information.
Webservices und Websites sind »kein Lernstoff«, der erst gelernt werden muss. Webservices sollen praktisch und gut nutzbar sein. Der*die User*in sollte Elemente einfach wiedererkennen und nutzen können. So haben wir im User*innen Interface für das Intranet der Med Uni Graz wiedererkennbare Elemente eingebaut: MedUni Graz.

7. Flexibility and Efficiency of Use
Shortcuts – hidden from novice users – may speed up the interaction for the expert user.
Unser Arbeitszeittool – ja, es gefällt uns sehr ;-) – hat auch diese Heuristik berücksichtigt. Wir können es effizient und flexibel benutzen: Man muss bei der manuellen Eingabe die Uhrzeit nicht nach einem bestimmten Schema eintragen oder voll ausschreiben. Es reicht zum Beispiel, wenn man statt 18:00 einfach 18 eingibt.

8. Aesthetic and Minimalist Design
Interfaces should not contain information which is irrelevant. Every extra unit of information in an interface competes with the relevant units of information.
Minimalistisch im Design – Maximalistisch in der Anwendung: Unser Covidguide »Youxly«.

9. Recognize, Diagnose, and Recover from Errors
Error messages should be expressed in plain language (no error codes), precisely indicate the problem, and constructively suggest a solution.
Fehlermeldungen sollen dem*der User*in das sagen, was er*sie korrigieren muss, um zum Ergebnis zu kommen. Diese Fehlermeldungen müssen in natürlicher Sprache statt in Codes angezeigt werden – plain and simple.

10. Help and Documentation
It's best if the design doesn't need any additional explanation. However, it may be necessary to provide documentation to help users understand how to complete their tasks.
Das beste User*innen Interface Design ist eines, das keine weiteren Erklärungen braucht. Manchmal ist es aber gut und richtig, doch eine Hilfestellung anzubieten. VERDINO hat im User*innen Interface Design des ELGA Portals, als eine solche Hilfestellung, ein Tooltipp gestaltet.

Ich schließe diese Lobschrift auf die Heuristiken mit dem Aufruf, sich mit user*innenfreundlichen Services zu beschäftigen, auch liebend gern mit den Worten des Usability-Großmeisters, Jakob Nielsen »when something has remained true for 26 years, it will likely apply to future generations of user interfaces as well«.
In diesem Sinne: Lasst uns auch in der Zukunft gute, kreative Lösungen für digitale Kommunikation suchen und finden.