Barrieren überwinden: So geht Internet für alle

Stell dir vor, du könntest das Worldwide Web nicht mehr mit deinem Sehvermögen wahrnehmen. Wie würdest du in dieser digitalen Landschaft navigieren? Würdest du zurecht kommen? In solchen Situationen kommt die Barrierefreiheit im Internet ins Spiel. Warum dieser Standard im digitalen Zeitalter nicht nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit ist, verrät unsere Junior Creative Mylène Martz.

Barrierearme Gestaltung vs. Inclusive Design

Moment, warum barrierearm und nicht barreriefrei? »Barrierefreiheit« ist zwar der geläufigere Begriff; aber da wir nicht ausschließen können, dass es trotz aller Bemühungen noch Hindernisse gibt, mit denen einzelne Menschen vielleicht nicht klar kommen, haben wir uns für den Begriff »Barrierearmut« entschieden. Es ist ehrlicher und wahrscheinlich auch zutreffender.

Im Bereich der digitalen Gestaltung sind Begriffe wie »Barrierefreiheit« bzw. »Barrierearmut« und »Inclusive Design« zu wichtigen Schlüsselkonzepten geworden. Doch was genau bedeuten sie und wie unterscheiden sie sich voneinander? 

Barrierearmut im Internet bedeutet, dass möglichst alle Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Einschränkungen, digitale Anwendungen nutzen können.

Inclusive Design geht einen Schritt weiter und strebt an, dass Websites für alle Nutzer*innen gleichermaßen ansprechend gestaltet und effektiv zu nutzen sind.

Conclusio: Barrierearmut zielt darauf ab, Hindernisse für Menschen mit Behinderung zu beseitigen. Inclusive Design geht über die bloße Beseitigung hinaus: Inhalte werden von Beginn an so konzipiert, dass sie für alle Menschen optimal zugänglich sind. 

Richtig relevant!

Ja! Die Thematik ist richtig relevant, aber warum genau? Hier einige Punkte, die die Wichtigkeit von Barrierearmut im Internet unterstreichen:

Gleichberechtigung

Barrierearme Websites gewährleisten uneingeschränkten Zugang ins Internet für Menschen mit Behinderungen und stärken somit die Gleichberechtigung.

 

Gesetzliche Anforderung

Es gibt gesetzliche Vorschriften und Standards, die die Einhaltung der Barrierearmut im Internet regeln. Werden diese nicht eingehalten, können Strafen an- oder Förderungen wegfallen.

 

Erweiterung der Zielgruppe

Barrierearme Websites sprechen nicht nur Menschen mit Behinderung an, sondern auch ältere Menschen oder Leute mit langsamer Internetverbindung, was die Zielgruppe erweitert.

 

Positive Reputation

Engagement für Barrierearmut einer Organisation zeigt soziale Verantwortung, was zu einer positiven Unternehmensreputation führt.

Langfristige Kosteneffizienz

Die Umsetzung von Barrierearmut von Anfang an kann langfristig kostengünstiger sein, da spätere Anpassungen direkt vermieden werden.

 

Bessere User Experience für alle

Barrierearmut verbessert die Erfahrung für alle, da eine klare Navigation und leicht lesbare Texte grundsätzlich zugänglicher sind.

 

Besseres Ranking bei Google

Google bewertet die Zufriedenheit der User als wichtigen Faktor bei der Bestimmung des Suchmaschinenrankings, weshalb barrierearme Websites eine höhere Positionierung erhalten.

Juristisches Juhu

Juhu! In Sachen Barrierearmut im Internet wurde im Juni 2019 ein Meilenstein erreicht. Die EU beschließt den »European Accessibility Act« mit dem Ziel, europaweit gleiche Barrierearmutsanforderungen für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Österreich wird dem ab 28. Juni 2025 Rechnung tragen: Das österreichische Barrierefreiheitsgesetz wird an diesem Tag in Kraft treten und Unternehmen dazu verpflichten, grundsätzlich nur noch barrierearme Produkte auf den Markt zu bringen. Wie aber wird konkret gemessen, inwiefern digitale Anwendungen barrierearm sind

Web Content Accessibility Guidelines aka WCAG2  

Das österreichische Barrierefreiheitsgesetz wird folgende Richtlinien als Orientierungspunkt nutzen: die »Web Content Accessibility Guidelines«. Es handelt sich dabei um einen international anerkannten Standard, der Kriterien für die Schaffung von barrierearmen Webinhalten festlegt. Darin enthalten sind folgende vier Anhaltspunkte:

 

  • Wahrnehmbarkeit: Informationen müssen für alle Benutzer*innen wahrnehmbar sein, unabhängig von ihren Sinnesfähigkeiten.
  • Bedienbarkeit: Benutzer*innen müssen in der Lage sein, die Website effizient bedienen zu können, einschließlich der Nutzbarkeit aller interaktiven Elemente.
  • Verständlichkeit: Um eine intuitive Nutzung zu ermöglichen, sollten Informationen und die Bedienung klar und verständlich sein.
  • Robustheit: Die Inhalte sollten robust genug sein, um von einer breiten Vielfalt an Benutzeragenten (z.B. einem Screenreader) zuverlässig interpretiert zu werden.

 

Anhand dieser Punkte leiten sich konkrete Richtlinien ab, die in drei sogenannten Konformitätsstufen bewertet werden: A (Basisanforderung der Barrierearmut), AA (erweiterte Anforderung der Barrierearmut), AAA (umfassende Anforderungen der Barrierearmut).

WCAG2 hat sich mittlerweile als maßgeblicher Standard für barrierearme Webinhalte etabliert. Eine wichtige Rolle dabei spielen beispielsweise die Lesbarkeitskontraste, die WCAG2 mithilfe der Luminanz der ausgewählten Farben ausrechnet und das Resultat den jeweiligen Konformitätsstufen zuweist. Diese Methode findet grundsätzlich Anklang, dennoch werden immer wieder Stimmen laut, die die Technik kritisieren: Sie sei zu simpel.

Das gibt dem Accessible Perceptual Contrast Algorithm (APCA) Aufschwung: Das ist eine alternative Methode zur Berechnung von Farbkontrasten, die künftig in WCAG3 (die noch nicht veröffentlichte Aktualisierung von WCAG2) eine bedeutende Rolle spielen könnte.

Accessible Perceptual Contrast Algorithm aka APCA

Der »Accessible Perceptual Contrast Algorithm« ist eine Methode zur präzisen Berechnung von Lesbarkeitskontrasten für barrierearme Farbwahrnehmung auf Computerbildschirmen. Im Gegensatz zu WCAG2 berücksichtigt APCA Aspekte der wahrgenommenen Helligkeit, was eine genauere Beurteilung ermöglichen soll – so jedenfalls die Theorie. Was bedeutet das nun? Hier ein Beispiel: 

APCA zeigt auf, dass wahrgenommene Farbkontraste nicht immer den vorgegebenen Lesbarkeitsstandards von WCAG2 entsprechen. Demnach könnten APCAs wahrnehmungsbezogene Kriterien für eine präzisere Beurteilung von Farbkontrasten in Zukunft unerlässlich werden. 

Terrific Tools: Accessibility Edition

Genug theoretischer Input. Nun geht es an’s Ausprobieren! Hier eine kleine Sammlung an Tools für Barrierearmut im Internet, alle VERDINO approved!

APCA Contrast Calculator

WCAG2 Contrast Checker

WCAG2 Contrast Checker App

WCAG2 Checkliste

Figma Accessibility-Plugin

Lesbarkeitstest

Wörterbuch für leichte Sprache

Google’s Lighthouse Score

Accessibility Posters

Mein Resümee

In der digitalen Welt ist Barrierearmut kein »Nice-to-have«, sondern eine dringende Notwendigkeit. Vom »European Accessibility Act« bis zum österreichischen Barrierefreiheitsgesetz – diese Regeln unterstreichen die Wichtigkeit der Gleichberechtigung im Internet. WCAG2 ist ein wichtiger, etablierter Standard. In Bezug auf Lesbarkeitskontraste könnte APCA allerdings eine innovative Ergänzung darstellen und eine noch präzisere Beurteilung der Barrierefreiheit ermöglichen. Die Gestaltung ohne Hindernisse muss kein Akt der Unmöglichkeit sein: Mithilfe zahlreicher Tools kann die Barrierearmut direkt bei der Konzeption, dem Design und der Textierung von Websites umgesetzt werden.

Wir bei VERDINO beteiligen uns nicht nur am Diskurs, sondern stellen die User Centricity seit jeher in den Fokus unserer Web-Projekte. Und zwar für alle User*innen. Denn schlussendlich geht es um die Kreation einer digitalen Welt, in der wir alle gern unterwegs sind – ganz ohne Barrieren. #wirmachendas