A-Tag – Treffpunkt für Internet-Accessibility

Logo des A-Tags und Ansicht des Präsentationsraums mit Publikum und Bühne.

Oktober 2019 – Tech Gate Wien – mit dem Aufzug geht es stufenlos in den 19. Stock – Personen unterhalten sich – bekannte Gesichter werden freudig begrüßt – Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer navigieren durch die Menge, vorbei an einer Teilnehmerin mit Blindenhund – dann wird die Veranstaltung in Gebärdensprache und Übersetzung in Lautsprache eröffnet.

Das A im Titel steht für Accessibility, zu Deutsch Barrierefreiheit. Organisiert wird die Veranstaltung seit 2006 vom Verein Accessible Media, einer Interessenvertretung, die barrierefreie Medien stärken und bekannt machen will.

Wie sieht eine barrierefreie Veranstaltung aus?

Die Anreise zu den Veranstaltungsräumen und alle Wege innerhalb kommen ohne Stufen oder Stolperfallen aus bzw. bieten alternative Wege, die z.B. von Personen mit Rollstuhl, Krücken etc. benutzbar sind.

Alles Gesprochene während der Präsentationen und der Moderation wird simultan in Gebärdensprache oder Lautsprache übersetzt. Dazu waren 3 Übersetzerinnen vor Ort, die sich regelmäßig abwechselten.

Zusätzlich gab es live-mitgeschriebene Untertitel, die direkt unter der Projektion der Präsentationen zu sehen waren.

Ein sehr interessantes Hilfsmittel ist zudem die induktive Höranlage, die den Ton über ein elektromagnetisches Feld an Hörgeräte und Cochlea Implantate sendet.

3 Bilder, aus dem Hintergrund aufgenommen, auf denen das Publikum und die Bühne zu sehen sind. Auf der Bühne stehen die Sprecher und die Gebärdendolmetscherin. Zwischen ihnen ist eine Projektion der Präsentation zu sehen.

Aus Fehlern lernen

Während der Vorträge standen die Sprecherinnen und Sprecher teilweise vor der Projektion und den Untertiteln, die dadurch nicht mehr lesbar waren. Der Fehler wurde erkannt, angesprochen und behoben. Ein sehr wichtiger Punkt: Barrieren sollten angesprochen und Lösungen gefunden werden. So kann jede/r etwas für die Zukunft lernen.

Auch kam mehrfach das Feedback von einem blinden Teilnehmer, dass der Inhalt von gezeigten (und referenzierten) Bildern nicht erklärt wurde und er somit nicht alle Informationen erhalten hatte. Wenn ein Bild als Beispiel dient, hat es eine bestimmte Aussage und muss somit erklärt werden.

Die Highlights der Vorträge

Die neue Monitoring- und Beschwerdestelle der FFG

Das österreichische Gesetz schreibt vor, dass alle seit 23.09.2019 veröffentlichten Websites und Apps des Bundes nach den Richtlinien WCAG 2.1 AA barrierefrei sein müssen. Ältere Seiten haben ein bisschen länger Zeit. Ab 01.01.2020 wird mit der Prüfung begonnen. In Bezug auf die Einwohnerzahl müssen in Österreich 253 Website geprüft werden. Davon werden 23 eingehend geprüft. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) hat dazu eine Monitoring- und Beschwerdestelle eingerichtet. Näheres dazu gibt es auf der Website der FFG.

Jede von der Richtlinie betroffene Website oder App muss auch eine Barrierefreiheitserklärung und eine Möglichkeit für Feedback/Beschwerden zur Verfügung stellen.

Zur Dokumentation empfiehlt die FFG das Report Tool WCAG-EM von w3.org

Barrierefreie Orte finden mit wheelmap.org

Ein sehr spannendes Projekt aus Deutschland ist wheelmap.org vom Verein Sozialhelden. Das Projekt bietet Userinnen und Usern die Möglichkeit, auf einer Karte Informationen hinzuzufügen, ob ein Geschäft, Café, Restaurant etc. barrierefrei, eingeschränkt barrierefrei oder gar nicht barrierefrei ist.

Es wird versucht, dieses Service laufend zu verbessern. Dazu bietet der Verein auch eine API namens Accessibility.cloud an, über die Daten abgefragt und für andere Projekte verwendet werden können bzw. können so auch Daten aus anderen Quellen in wheelmap einfließen.

In Zukunft sollen auch Live-Daten zum Betriebsstatus von öffentlichen Aufzügen angezeigt werden können. So ist immer ersichtlich, wo ein Aufzug gerade nicht funktioniert. Zu diesem Zweck werden auch Sensoren entwickelt, die diese Informationen liefern können. Das Projekt „Elevate“ ist für den deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Forschung nominiert.

Scharfe Videos mit OptiVID

Die unterschiedlichen Arten und Ausprägungen von Sehbeeinträchtigungen machen es schwer, für alle Personen das perfekte Video anzubieten. Das Austrian Institute of Technology versucht, dieses Problem mit dem Video Player OptiVID zu lösen. Das Projekt befindet sich aktuell (Stand: November 2019) noch in Entwicklung.

Ziel ist es, live und vor allem schnell lokale Videos, aber auch YouTube-Videos für den Enduser individuell anpassbar zu machen. D. h., es können z.B. Kontrast und Helligkeit angepasst oder Verzerrungen beim Sehen durch Gegen-Verzerrungen im Video ausgeglichen werden.

Die Einstellungen können für einen besseren Komfort auch über externe Hardware wie z.B. Drehregler getätigt werden. Das ist gerade bei Helligkeits- oder Kontrastanpassungen sehr viel praktischer als Shortcuts oder manuelle Einstellungen.

Zugängliche, inklusive und verständliche Präsentationen

Präsentieren will gelernt sein, vor allem so, dass wirklich jede/r folgen kann.

Bei der Erstellung der Präsentation sollte man darauf achten, die Sprache einfach zu halten und auf jedem Slide die Information zu geben, welches Thema gerade besprochen wird, z.B. mit Hilfe von Breadcrumbs. Generell gelten auch beim Präsentieren die Richtlinien des Webs. Der fehlende Kontrast durch Beamer sollte ebenfalls mitbedacht werden.

Während der Präsentation

  • Beschreiben was man sieht: Nicht jede Person kann sehen und hat trotzdem ein Recht auf ALLE Informationen.
  • Beschreiben was man hört: z.B. bei Tonaufnahmen oder Reaktionen aus dem Publikum
  • Fragen aus dem Publikum wiederholen: Nicht immer sind Fragen (ohne Mikrofon) für alle im Raum hörbar.
  • Langsam und an das Publikum gewandt sprechen.

Nach der Präsentation ist es Best Practice, die Inhalte in Form einer barrierefreien Version, ggf. gemeinsam mit weiterführenden Ressourcen, zu teilen. Das ist auch für Personen, die nicht beim Vortrag dabei waren, hilfreich.

Wer mehr wissen will, sollte sich die Ressourcen zum Vortrag von mindscreen durchlesen. Das ist auch ein sehr gutes Beispiel, wie es gemacht werden kann.

Fazit

Ich kann diese Veranstaltung wärmstens weiter empfehlen. Egal, ob Vorwissen zum Thema Barrierefreiheit vorhanden ist, oder nicht. Vielleicht sogar gerade wenn kein Vorwissen gegeben ist, um den eigenen Horizont zu erweitern und die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen.

Links

Veröffentlicht am: 05.11.2019

Bild von Sabrina Hess

Autorin

Sabrina Hess

(Ehemalige Mitarbeiterin)

Sabrina war Developerin bei VERDINO.