Wie funktioniert Influencer Marketing in der Healthcare-Branche?

Influencer-Marketing

Nach Beauty, Fitness und Food springt auch die Gesundheitsbranche auf Influencer Marketing auf. Dieser Bereich ist natürlich viel sensibler und reglementierter als die genannten, jedoch gibt es gute Gründe, weshalb Pharmafirmen, öffentliche Einrichtungen und Selbsthilfegruppen den Trend verfolgen, um die richtigen Botschaften an ihre Zielgruppen zu transportieren. Wie genau Influencer Marketing in dieser Branche funktioniert, worauf geachtet werden soll und einige Beispiele findet ihr in diesem Artikel.

Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit werden im Text die Begriffe Influencer und Blogger nicht gegendert, wobei immer weibliche als auch männliche Personen gemeint sind.

Pinfluencer oder herkömmliche Influencer?

Es gibt in der Gesundheitsbranche zwei Arten von Blogger, die für Kooperationen herangezogen werden:

  • PatientInnen (sogenannte: Patienten-Influencer oder Pinfluencer)
  • Bekannte Blogger/Influencer

EXKURS: Blogger und Influencer sind nicht genau dasselbe. Erstere betreiben einen Blog, auf dem Artikel veröffentlicht werden, wie z. B. persönliche Erfahrungsberichte, Produkt-Rezensionen, Urlaubsberichte, Geburtsberichte, Rezepte etc. Influencer hingegen haben nicht unbedingt einen Blog, sondern eine Plattform – vor allem Instagram – die als zentraler Kommunikationskanal genutzt wird. Darauf werden in erster Linie Fotos gepostet und Stories erstellt, um Produkte zu bewerben und Erfahrungsberichte mit Followern zu teilen. Gemeinsam haben beide den Wunsch, mit einem oder mehreren Themen zu begeistern und diese authentisch hinüberzubringen, um als glaubwürdig und vertrauensvoll wahrgenommen zu werden.

Pinfluencer - Profil und Vorgehensweise

Indem Pharmaunternehmen, öffentliche Einrichtungen oder Selbsthilfegruppen in der Kommunikation auf PatientInnen setzen, können Themen viel subtiler angesprochen werden. Personen, die selber an einer Erkrankung leiden, können am glaubwürdigsten darüber sprechen und ihre Erfahrungen mit ihren Followern teilen.

Der Fokus liegt hier auf:

  • Micro-Influencern: Dabei handelt es sich um Influencer, die weniger als 1.000 Follower haben. Bei diesen liegt die Like-Rate bei 8%. Im Vergleich dazu sinkt diese bei Influencer, die zwischen 1.000 und 10.000 Follower haben, auf 4%. Eine Studie von Markerly zeigt klar, dass es eine Abwärtskorrelation zwischen der Like-Vergabe und der Anzahl der Follower gibt.

LikeRate-Followership

Die Tendenz bei den Kommentaren auf Instagram ist sehr ähnlich – diese sinken mit einer größeren Followerzahl. Accounts mit weniger als 1.000 Followern generieren 0.5% der Zeit Kommentare im Vergleich zu großen Accounts mit über 10.000 Follower – bei diesen wird nur 0.04% der Zeit kommentiert.

LikeRate-Followership

(Quelle: https://markerly.com/blog/instagram-marketing-does-influencer-size-matter/)

FAZIT: Influencer mit 1.000-10.000 Followern bieten die beste Kombination aus Engagement und Reichweite. Diese verlangen natürlich auch weniger Geld, als jene mit 10K+ Followern. Nichtsdestotrotz haben sie über die letzten Jahre ihren Marktwert herausgefunden und treten viel selbstbewusster auf, auch bei Preisverhandlungen.

Interessanterweise finden Pharmafirmen Pinfluencer überwiegend auf Facebook und Twitter, im Vergleich zu anderen Branchen, die sich vor allem auf Instagram fokussieren.

(Quelle: https://www.basicthinking.de/blog/2019/03/27/pharmaindustrie-patienten-influencer-marketing/).

Warum?

  • Menschen, die sich über Erkrankungen austauschen, sind tendenziell älter und bewegen sich eher auf Facebook und Twitter.
  • Beide Plattformen eignen sich eher für den direkten Austausch. Zudem ist bei Instagram durch den sehr großen Anteil an Beauty und Lifestyle mehr Mut gefragt, um über sensible Themen zu sprechen.

Wie läuft die Zusammenarbeit ab?

  • direkt zwischen Unternehmen/Organisation und Influencer (eher selten)
  • Über eine vermittelnde Agentur, die Unternehmen/Organisationen und Influencer zusammenbringt
  • Spezialisierte Influencer-Marketing-Agenturen, die bereits Kontakte zu beiden Seiten haben

In allen Fällen ist ein detailliertes Briefing die Basis. Dies steckt idealerweise den Rahmen ab, innerhalb dessen der Influence agieren und der Kreativität freien Lauf lassen kann. Die wichtigste Frage, die sich ein Unternehmen bzw. eine Organisation stellen muss, ist, ob es bereit ist ein Stück weit die Kontrolle abzugeben. Nur so, kann eine Kooperation erfolgreich sein. Das Wichtigste dabei ist der „Fit“ zwischen Influencer und Unternehmen und eine detaillierte Kooperationsvereinbarung zwischen beiden Parteien, in der beispielsweise das Monitoring von Community Reaktionen genau festgelegt wird.

Kurzfristige Kooperation vs. Langfristige Kooperation

  • Im OTC-Bereich funktionieren kurzfristige Marketing-Kampagnen gut, vor allem für den Start.
  • Insgesamt profitieren beide Seiten von langfristigen Kooperationen, vor allem im Healthcare-Bereich, wo es oft um Aufklärung und Awareness geht.

Wofür werden Influencer bezahlt?

  • Bewerbung eines Produkts (ist in der Pharmabranche sehr eingeschränkt, aber im OTC-Bereich möglich)
  • Die Firma oder Organisation schickt den Influencer zu einer Konferenz und er/sie berichtet darüber – z. B. über neueste Entwicklungen zu einer Indikation.
  • Der Influencer berichtet über die Erfahrungen mit einer Therapie

Wichtig: Influencer sind KEINE Testimonials. Sie haben bereits ihre eigene Community und sich dort auch ein Image aufgebaut. Alle Inhalte, auch jene im Rahmen der Kooperation, müssen dazu passen. Eine Abweichung wird von den Followern schnell durchschaut.

Erfolge

  • Steigerung der Ad Impressions: Ein Pharmakonzern berichtet, dass sie durch Influencer-Marketing ihre Ad-Impressions von 100.000 auf 13.2 Millionen steigern konnten (Quelle: https://www.basicthinking.de/blog/2019/03/27/pharmaindustrie-patienten-influencer-marketing/)
  • Höhere Verkaufszahlen: PatientInnen, die über ein Medikament von Influencern hören, gehen eher zum Arzt, um danach zu fragen.
  • PatientInnen-Daten: Der Einsatz von Influencer ermöglicht Pharmaunternehmen Informationen zu Nebeneffekten und zur Wirkung ihrer Medikamente direkt von den PatientInnen zu erhalten, was sonst nur sehr schwer möglich ist. (Wichtiger, zu beachtender Punkt: Pharmakovigilanz)

Welche KPI’s werden herangezogen?

  • Quantitative Werte

  • Reichweite

  • Share-Ratio

  • Interaktionsraten

  • Qualitative Ziele

  • Kreativität des Contents

  • Feedback der Follower

  • Sichtbarkeit der Marke / der Message / der Erkrankung über den Zeitraum der Kampagne

Unterschied USA/EU

  • Obwohl in den USA der Umgang mit der Bewerbung von Medikamenten weniger streng reguliert ist als in Europa, gibt es ganz klare Richtlinien für Influencer, vor allem was die Nebenwirkungen eines Medikaments betrifft.

  • In Europa sind Influencer im Pharmabereich noch etwas zurückhaltender, weil es einen großen Unterschied macht, ob jemand dafür bezahlt bekommt, ein neues Paar Schuhe zu bewerben oder ein Medikament. Der Profitgedanke wird im Gesundheitsbereich oft kritisch gesehen. Nichtsdestotrotz nähern sich immer mehr Pharmakonzerne diesem Thema. Eine klare Vereinbarung mit den Influencern sowie das Kennzeichnen von Anzeige/Werbung bei Social Media Postings bildet dabei die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Tipps für die Influencer-Recherche

Ein wichtiger Aspekt, um das ganze Thema abzurunden und vor allem mit der Umsetzung starten zu können ist die Influencer-Recherche. Es gibt Agenturen, die darauf spezialisiert sind und eine Datenbank an Influencer haben, die nach Themen kategorisiert sind. Wenn das Budget für eine solche Agentur nicht reicht oder erstmals eine Selbstrecherche gemacht werden soll, dann sind folgende Tipps hilfreich:

  • In den Apps: Bei Instagram und Twitter gibt es die Möglichkeit nach hashtags zu suchen. Wenn das Thema beispielsweise „Brustkrebs“ ist, dann hilft es nach dem Begriff zu suchen. Bei Instagram erscheint eine Liste an ähnlichen hashtags, z. B. #brustkrebskämpferinl, #brustkrebsdeutschland #brustkrebstatoo #brustkrebsfrueerkennung. Bei Klick auf den gewünschten hashtag kommen unterschiedliche Bilder, die zu den einzelnen Accounts führen. Diese Methode ist zwar zeitaufwendig, aber eine gute Möglichkeit sich ein Bild davon zu machen, wer auf Instagram ein Thema besetzt, wie groß der Account ist, wie aktiv der Account ist und was für Unterthemen behandelt werden - Screenshots einfügen.

  • Google-Recherche: Die Suchmaschine bietet eine gute Möglichkeit für eine Vorauswahl. Wenn nach den Themen gesucht wird, die der Influencer transportieren soll, kann so die passende Person gefunden werden. Einige Personen, die beispielsweise auf Instagram vertreten sind, pflegen auch eine eigene Website, die über eine Google-Recherche gefunden werden kann.

  • Persönliche Beziehungen einbinden: Wie so oft sind persönliche Kontakte in einem Recherche Prozess auch von Bedeutung. Wenn das Thema feststeht, gilt es auch im nahen Umfeld zu recherchieren, weil hier das Vertrauen bereits besteht und die jüngere Generationen manchmal auf Influencer zurückgreifen, die für eine Kampagne eingebunden werden können.

  • Marketing Tools: Es gibt eine Reihe an hilfreichen Tools, die eingesetzt werden können, um den oder die passende InfluencerIn zu finden. Die meisten haben die Möglichkeit gratis einen Test-Account anzulegen, um bereits eine Recherche vorzunehmen, auch wenn eingeschränkt. Zum Beispiel: buzzsumo, [Influma] (https://www.influma.com/de), HitchOn oder Reachbird.

Aktuelle Beispiele

Es gibt laufend Kampagnen von Unternehmen oder Organisationen die Influencer-Marketing in ihrem Kommunikationsmix aufnehmen. Derzeit gibt es in Österreich einige spannende und wichtige Kampagnen im Gesundheitsbereich, die Influencer im Einsatz haben, um die Inhalte stärker an die Zielgruppe zu transportieren.

  • Die Kampagne #darüberredenwir für einen besseren Umgang mit und einer Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen der Psychosozialen Dienste der Stadt Wien startete Anfang des Jahres und holte sich dafür die Lifestlye-Bloggerin, [Leonie-Rachel Soyel] (https://www.instagram.com/leonie_rachel/), an Board. Sie ist bereits seit einigen Jahren auf Instagram aktiv und vor zwei Jahren entschloss sie sich öffentlich über ihr Borderline-Syndrom zu sprechen. Sie möchte Betroffenen Mut machen vor den Vorhang zu treten und sich nicht weiter zu schämen und zu verstecken. Dieses Thema ist höchst aktuell, da die Corona-Krise sehr viele Menschen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, noch mehr fordert als sonst.

  • Die Plattform MINDBASE, die digitale Plattform der Stadt Wien gibt Menschen, gerade in Krisenzeiten, viel Halt. Es sind dort alle Online-Tools zum Thema Sucht und psychische Gesundheit zu finden. Dieses Thema wird auch aktuell stark auf Social Media thematisiert. Eine britische Instagrammerin, Hannah Daisy, bespricht unter anderem, wie sich die Isolation, während der Corona-Krise, auf suchtkranke Menschen auswirkt.

Learnings

Blogger und Influencer sind nicht genau dasselbe.

Erstere betreiben einen Blog, auf dem Artikel veröffentlicht werden, wie z. B. persönliche Erfahrungsberichte, Produkt-Rezensionen etc. Influencer hingegen haben nicht unbedingt einen Blog, sondern eine Plattform – vor allem Instagram – die als zentraler Kommunikationskanal genutzt wird.

Influencer sind keine Testimonials

Sie haben bereits ihre eigene Community und sich dort auch ein Image aufgebaut. Alle Inhalte, auch jene im Rahmen der Kooperation, müssen dazu passen. Eine Abweichung wird von den Followern schnell durchschaut.

Kurzfristige Kooperation vs. Langfristige Kooperation

Im OTC-Bereich funktionieren kurzfristige Marketing-Kampagnen gut, vor allem für den Start. Insgesamt profitieren beide Seiten von langfristigen Kooperationen, vor allem im Healthcare-Bereich, wo es oft um Aufklärung und Awareness geht.

Veröffentlicht am: 20.04.2020

Bild von Sherin Quell

Autorin

Sherin Quell

(Ehemalige Mitarbeiterin) Sherin war bei VERDINO für Public Relations und Content Marketing zuständig.